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Mustafa - Integration – Zwischen Chemnitz und Gel(B)ingen
In Bingen hielt ich auf Einladung der lokalen Volkshochschule eine Lesung zu meinem Buch und begegnete Mustafa.
Er ist Syrer, verließ seine Heimat, ist in Bingen gelandet und hört mir an diesem Abend gespannt zu. Später kommt der junge Mann auf mich zu und bedankt sich für meinen Vortrag. Dies alles ein paar Wochen nach den Vorkommnissen in Chemnitz. Ich muss zugeben, dass mir die Sache keine Ruhe mehr ließ. In dieser kleinen und bildschönen Stadt am Ufer des Rheins scheint Integration zu funktionieren - und dies ohne wesentliche Reibungspunkte. So entschloss ich mich am nächsten Tag anstatt abzufahren, noch ein paar Stunden mit Mustafa zu verbringen, um mehr darüber zu erfahren, was diese kleine Stadt anders macht als beispielsweise Chemnitz. Aus ein paar Stunden wurde fast ein ganzer Tag, der es wirklich wert war. Mit meiner Kamera unterwegs und auch im Rahmen der Europa – Dokumentation für „Project Peacemaker“, ergründete ich die Mechanismen, die scheinbar zu einer erfolgreichen Integration in diesem versteckten Idyll führten.
Gemeinsam mit Mustafa besuchte ich den Unterricht der Volkshochschule, führte Interviews mit Beteiligten, die für den Integrationsprozess von Bedeutung sind und stellte fest, dass die Stadt Bingen einen in sich übergreifenden Mechanismus, unter Beteiligung verschiedenster Akteure, entwickelt hat, um einen möglichst großen Erfolg erzielen zu können.
Hierbei stellte ich mir die Frage, warum die Stadt Bingen mit gerade einmal 26.000 Einwohnern und einem hohen Flüchtlingsanteil mit der Situation klarkommt. Chemnitz aber nicht...
Die Antwort: Es ist das Zusammenspiel aller Beteiligten.
Die Flüchtlinge müssen sich einbringen.
Die Pädagogen müssen sich einbringen.
„Fordern und Fördern“ steht für ein Konzept, welches in Bingen funktioniert.
Es gibt Chemnitz. Das ist richtig.
Es gibt aber auch Bingen, über das leider niemand spricht.
Negative „Sensationen“ verkaufen sich medial besser als eine Erfolgsstory.
Vielleicht kann ich das ein bisschen mit meiner Reportage über Mustafa ändern, der mir den ganzen Tag zur Seite stand.
Simon Jacob
Buchtipp:
Seit Jahren reist Simon Jacob durch Länder wie Syrien, Irak oder Iran. Als Angehöriger eines wichtigen Clans gelangt er an Orte, die für andere nie zugänglich waren. Dort spricht er mit Menschen, immer auf der Suche: der Suche nach Frieden, auch seinem eigenen Inneren. Seine Reise schildert auch die Schrecken dieser Kriegsgebiete. Aber mehr noch zeigt dieses Buch, dass und wie Friede wirklich möglich ist. Eine Botschaft, die vor allem in diesen Tagen Mut und Hoffnung macht und motiviert, zu kämpfen für eine bessere Zukunft und für etwas, was Simon Jacob ausgerechnet im Irak und in Syrien wiedergefunden hat: Menschlichkeit.
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