My USA Roadtrip – die 50 Staaten von Amerika

Ich beginne am besten so, wie man es als anständiger Beobachter, Autor oder Journalist tun sollte. Ich stelle mir meine sechswöchige Abenteuerreise in die USA als leeres, weißes Blatt vor und streife alles was ich über die USA weiß ab. Dann begebe ich mich auf den Pfad der Unwissenheit, um Wissen zu erlangen, zeichne auf dem weißen Blatt Straßen auf, markiere Orte, trage Namen ein, füge Notizen hinzu – und wenn ich damit fertig bin habe ich tausende Bilder gemacht, mehrere Notizbücher vollgeschrieben, gingen mir unzählige Gedanken durch den Kopf. Daraus sind Eintragungen, schriftliche Gemälde, facettenreiche Zusammenhänge, angereichert mit knallbunten Farben in meinem Kopf, entstanden, die über meine abenteuerlichen sechs Wochen in den USA zu berichten wissen.

Auf Einladung des US – Außenministeriums, ich hatte mich für das „International Visitor Leadership Program“, kurz: IVLP, qualifiziert, sollte ich für drei Wochen in die Staaten reisen, um Religion, Kultur, Politik, gesellschaftliches Leben usw. besser kennenzulernen. Ein allerdings noch wichtigerer Grund für mich in die Staaten zu gelangen hing mit der Tatsache zusammen, dass meine Verlobte in Chicago lebt und ich aufgrund neuer, seit 2016 geltender Einreisebestimmungen wegen meiner zahlreichen Reisen in den Nahen Osten nicht einfach die USA betreten durfte. Vierzehn Monate nachdem ich Leena zum letztem Mal gesehen hatte, durfte ich dank des Programms endlich meine Liebe wieder in den Händen halten – und musste sie leider zum Ende meiner Reise, aufgrund des Corona – Virus, wieder aus meiner Umarmung entlassen.

Es waren sechs beeindruckende Wochen (drei Wochen davon verbrachte ich als Urlauber in den Staaten), in denen ich quer von der Westküste bis zur Ostküste reiste, mit Politikern, Institutionen, Funktionären, geistigen Würdenträgern sprach, aber auch mit dem Studenten, der Super – Mum, dem harten Arbeiter, dem Obdachlosen, dem Freiheitskämpfer, dem Gläubigen, der Lehrerin, dem Demokraten, Republikaner, Weißen, Schwarzen, Asiaten, Farbigen…

In dieser Zeit legte ich 11.500 Meilen bzw. 18.500 Kilometer zurück – teils mit dem Flugzeug, viel mit dem Auto, aber auch ab und an zu Fuß. Ich hielt, augenzwinkernd dem Klischee folgend, bei einem Vater um die Hand seiner Tochter an, nervte meine Gruppenteilnehmer bei allen Gesprächen mit den ersten Fragen, überstrapazierte die Geduld unseres Teamleiters, der 25 Jahre lang als Soldat bei den Streitkräften diente, weil ich noch dieses und jenes Foto machen wollte; kleisterte meinen Weg mit „Project – Peacemaker“ Aufklebern voll, machte einige tausend Bilder und setzte unzählige Facebook – Posts ab. Ich aß mich quer durch die kulturell reichhaltige US-Küche, die zuckersüß sowie heiß und fettig und für die sechs Kilogramm Gewichtszunahme innerhalb von sechs Wochen verantwortlich ist. Ich beobachtete den Wahlkampf, war von den „echten“ und vielleicht auch „unechten“ News auf FOX News und CNN fasziniert, erlebte zum ersten Mal in meinem Leben live ein Basketballspiel, dem ein gigantischer Rodeo mit allem Drum und Dran folgte. In Texas wollte mich eine ältere Dame scherzweise erschießen, in Arizona durfte ich die Faszination der Wüste erfahren, in Utah verstand ich endlich, was es mit den Mormonen auf sich hat, in New Jersey jagte ich einen gesuchten deutschen Finanzbetrüger, in Los Angeles wurden mir Drogen angeboten und New York ist einfach verrückt.

Die letzten beiden Wochen wurden überschattet von der Ausbreitung des Corona – Virus, dessen Gefahr die politische Führung des Landes zunächst in den Medien abstritt, nur um kurze Zeit später umzuschwenken und, leider, auch andere dafür verantwortlich zu machen. Die anfängliche Organisation in der Krise schien mir unvorbereitet zu sein. Jeder versuchte, in medial überspitzen Tönen, Kapital aus der Situation zu schlagen und verunsicherte die Bevölkerung nur noch mehr, meines Erachtens nach. Die politische Führung tat sich anfangs schwer im Umgang mit der Krise und verlor in meinen Augen an Vertrauen. Da hilft es auch nicht für 30 Tage die Grenzen für Europäer, ohne Abstimmung mit der EU, zu schließen und dadurch Chaos zu verursachen. Das Virus war schon längst im Land und lokale „Hotspots“ bildeten bereits die ersten Schwerpunkte. Neben den fehlenden Test-Sets ist es schlicht und einfach das ineffiziente und sehr teure Gesundheitssystem, welches eine schnelle Eindämmung nicht zuließ.

Als Folge wird es den Dienstleistungssektor, den wichtigsten Arbeitgeber der USA, treffen. Kommt es hier zu massiven Umsatzeinbußen in der Gastronomie, der Tourismusbranche, im Hotelgewerbe, bei Eventveranstaltern usw., wären Millionen Jobs in Gefahr – gefolgt von massiven Kreditausfällen. Es wäre ein weiterer Schlag für die Weltwirtschaft.

Zu guter Letzt hat das Virus auch dazu geführt, dass die Verlobungsfeier zwischen mir und Leena (meiner Verlobten) abgesagt werden musste. Das US-Außenministerium bat um meine sofortige Rückreise. Leider waren mir dadurch, nachdem ich von meiner investigativen Reise aus New Jersey zurückgekommen war, keine weiteren Tage mit meiner Liebe gegönnt. Ausgang nun ungewiss…

Doch bin ich mir sicher, dass ich und Leena, beide als Kinder aus der angestammten Heimat aufgrund kriegerischer Auseinandersetzungen in den Westen geflohen, auch diese Hürde meistern werden.

Und während wir dies tun, werde ich nach und nach meine Erlebnisse in den „50 Staaten von Amerika“ im Tagebuchformat veröffentlichen.

Allen, die mir zuhören, wünsche ich viel Spaß dabei.

Allen, die dies ermöglicht haben, danke ich von ganzem Herzen – besonders dem amerikanischen Steuerzahler.

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Simon Jacob

Simon Jacob (1978 in Tur Abdin, Türkei) kam als Kind nach Deutschland, wo er eine kaufmännische Ausbildung absolvierte und später in verschiedenen Führungspositionen der IT- und Technologiebranche arbeitete. Seine berufliche Laufbahn umfasste u.a. Positionen im Projektmanagement und der Marktforschung mit Schwerpunkten in Automotive, Sensorik und Digitalisierung. Neben seiner Karriere engagierte sich Jacob ehrenamtlich als Integrationsbeauftragter der Syrisch-Orthodoxen Kirche und war Vorsitzender des Zentralrats Orientalischer Christen in Deutschland. 2015 initiierte er die „Peacemaker-Tour“, ein journalistisches Projekt, bei dem er Krisenregionen im Nahen Osten bereiste, um den interkulturellen Dialog zu fördern und auf die Lage religiöser Minderheiten aufmerksam zu machen. Seine Erfahrungen und Einsichten, vor allem zu Demokratie und Menschenrechten, teilt er in Artikeln, Vorträgen und seinem bald erscheinenden Buch.
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