Vater Musa auf dem Traktor

Die Provinz Hatay mit der Regionalhauptstadt Antakya bildet ein Zentrum des rum –orthodoxen Glaubens. Die Stadt ist umgeben von zwei Kerngemeinden dieser byzantinischen Kirchen, welche ein lebhaftes Leben führen. Eine der Gemeinden befindet sich in Altinözü – Sarilar, die andere in Tokacli – Cnaydu.

Nachdem wir Altinözü besucht hatten und uns auf die Suche nach Vater Musa machen, trauen wir kaum unseren Augen. Die Straße entlang, auf den vereinbarten Treffpunkt zusteuernd, treffen wir auf einen Traktorfahrer, der kurz danach von seinem monströsen Gefährt absteigt. Wieder Boden unter den Füssen, stellt sich der Herr vor.

„Hallo, ich bin Vater Musa“, bekommen wir zu hören. Und tatsächlich handelt es sich um den Geistlichen, den wir besuchen wollten. Und dieser Pfarrer hat es in sich. Seit 13 Jahren betreut er die 120 Familien der Gemeinde als Geistlicher und ist gleichzeitig Farmer. Seine Frau, die er liebevoll „Priesterin“ nennt, steht ihm bei diesem anstrengenden Doppelberuf zur Seite. Trotz eines engen Zeitplans, es ist Erntezeit, lässt er es sich nicht nehmen, uns zunächst mit Früchten der Umgebung zu verköstigen, um uns im Anschluss das Gemeindeleben zu zeigen. Wir dürfen die wunderschöne Marienkirche besuchen, die nun leider im Besitzt des Staates ist und nicht mehr im Eigentum der Gemeinde. Während wir die Gassen und engen Straßen von Tokacli erkunden, fallen uns immer wieder die wirklich alten Menschen auf. Abuna Musa meint, dass alle Menschen hier so alt werden, weil sie sich einfach weniger stressen lassen. Das Leben hier scheint tatsächlich relaxter, einfacher und doch so vielfältig zu sein. Auf unserem Rückweg die Straße entlang, wirft eine ältere Dame die Hände in die Luft, um unseren geistlichen Begleiter zu empfangen. Dieser lässt der vom hohen Alter gezeichneten Frau ein Lächeln zukommen und berührt kurz ihre Hand.

„Wir geben hier auf alle Menschen Acht. Besonders auf die Alten“, so der Abuna.

Als wir kurze Zeit später wieder vor dem Traktor ankommen und uns verabschieden, blicke ich noch einmal in die gütigen und sanften Augen dieses Mannes, der sich Gott verschrieben hat und seine Ehefrau Priesterin nennt.

Und ich frage mich dabei, ob auch wir, in Europa, mit all unserer Vorsorge für das Alter, der älteren Generation ebenfalls die gleiche Würde zukommen lassen.

Buchtipp:

Seit Jahren reist Simon Jacob durch Länder wie Syrien, Irak oder Iran. Als Angehöriger eines wichtigen Clans gelangt er an Orte, die für andere nie zuganglich waren. Dort spricht er mit Menschen, immer auf der Suche: der Suche nach Frieden, auch seinem eigenen Inneren. Seine Reise schildert auch die Schrecken dieser Kriegsgebiete. Aber mehr noch zeigt dieses Buch, dass und wie Friede wirklich möglich ist. Eine Botschaft, die vor allem in diesen Tagen Mut und Hoffnung macht und motiviert, zu kämpfen für eine bessere Zukunft und für etwas, was Simon Jacob ausgerechnet im Irak und in Syrien wiedergefunden hat: Menschlichkeit.

Bestellbar über

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Simon Jacob

Simon Jacob (1978 in Tur Abdin, Türkei) kam als Kind nach Deutschland, wo er eine kaufmännische Ausbildung absolvierte und später in verschiedenen Führungspositionen der IT- und Technologiebranche arbeitete. Seine berufliche Laufbahn umfasste u.a. Positionen im Projektmanagement und der Marktforschung mit Schwerpunkten in Automotive, Sensorik und Digitalisierung. Neben seiner Karriere engagierte sich Jacob ehrenamtlich als Integrationsbeauftragter der Syrisch-Orthodoxen Kirche und war Vorsitzender des Zentralrats Orientalischer Christen in Deutschland. 2015 initiierte er die „Peacemaker-Tour“, ein journalistisches Projekt, bei dem er Krisenregionen im Nahen Osten bereiste, um den interkulturellen Dialog zu fördern und auf die Lage religiöser Minderheiten aufmerksam zu machen. Seine Erfahrungen und Einsichten, vor allem zu Demokratie und Menschenrechten, teilt er in Artikeln, Vorträgen und seinem bald erscheinenden Buch.
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