Eine wahre Geschichte, die mich verändert hat.
Ein Priester im Irak lehrte mich nicht zu hassen! Er zeigte mir den Frieden.
Vor längerer Zeit besuchte ich das 1600 Jahre alte Syr.-Orth. Kloster Mar Mattai im Norden des Iraks. Ungefähr 30 km nördlich von Mosul gelegen.
Emotional gefangen in einer Wut, die schon fanatisch wirkte, wollte ich an diesem heiligen Ort wenigstens ein bisschen Ruhe und Frieden vor den Bildern finden, die mir die ganze Zeit durch den Kopf gingen.
Bilder, die mich nicht mehr losließen, weil ich immer wieder in die Augen eines vergewaltigten, brutal verstümmelten Mädchens blicken musste.
Sie verfolgten mich!
Bilder, die mich nicht mehr losließen, weil ich immer noch die Szenen der unzähligen Enthauptungsvideos sah, die junge Männer zeigten, die kurz vor dem bestialischen Ende entweder mit entsetzten Augen oder völlig abwesend, auf ihre Hinrichtung warteten. Im Hintergrund die vermummten Peiniger.
Sie verfolgten mich!
Bilder, die Mütter zeigten, die nicht mehr fähig waren, um ihre Kinder zu trauern und mich baten, es der Welt zu berichten.
Sie verfolgten mich!
All dieser Bilder, all diese Gespräche, all diese Eindrücke verfolgen mich heute noch. Sie sind Bestandteil meines Wesens geworden. Sie haben sich in mein Gedächtnis eingebrannt und meinen Charakter für immer verändert.
Doch was mich noch mehr verändert hat, war ein Priester in diesem Kloster, der mir gezeigt hat, was Frieden bedeutet.
Beim Gespräch mit dem Priester erzählte ich ihm von meiner Wut, meinem Hass, meinen Rachegelüsten gegenüber diesen „Monstern“, die fähig waren, anderen Menschen solche Dinge anzutun.
Ich war von dem Drang beseelt, nach dem Prinzip „Auge um Auge, Zahn um Zahn“, Rache zu üben.
Da bat mich der Priester aus dem Schrank eine Waffe zu nehmen, die das Sicherheitspersonal des Klosters dem Geistlichen zum eigenen Schutz zur Verfügung gestellt hat.
Es ist leicht, damit umzugehen.
Es ist leicht, damit Vergeltung üben.
Er meinte aber, bevor ich gewillt bin Taten sprechen zu lassen, sollte ich vorher bedenken, dass er vor Jahren seinen Bruder verloren hat.
Der Bruder, ein Ladenbesitzer in Mosul, wurde eines Tages von Islamisten aus seinem Geschäft gezerrt und auf offener Straße mit einem gezielten Kopfschuss hingerichtet.
Warum?
Nur weil er der christlichen Minderheit angehörte!
Nun fragte ich mit der Priester, ob ich denn einen Verwandten auf eine ähnliche Art und Weise verloren hätte.
Ich verneinte diese Frage.
Daraufhin wollte er wissen, woher ich mir dann das Recht nehme, für seinen Bruder Rache zu nehmen!
Während er Frieden in seinem Herzen trägt.
Aber ich aber voller Hass bin!
Den gleichen Hass, den auch die Terroristen in ihren Herzen trugen, als sie den Bruder auf offener Straße hinrichteten.
Dieser Priester lehrte mich, was wahre Größe bedeutet.
Denn beschämt blickte ich zu Boden und erkannte, dass mein Hass mich ebenfalls zu einem Monster werden ließ.
Denn der Wille Rache auszuüben, hatte mich völlig erfasst.
Müde blickte ich in die leuchtenden und friedfertigen Augen dieses Menschen und erkannte, dass ich niemals Frieden finden würde, es sei denn, ich lenke meine Wut in eine positive Richtung.
Meine Kraft und meinen Ehrgeiz sollte ich dafür einsetzen, den Dialog mit den Menschen und allen Religionen zu suchen.
Denn nur durch den Dialog schaffen wir Frieden.
Die Bilder sind immer noch fester Bestandteil meiner Erinnerungen.
Viele weitere kamen all die Jahre bis jetzt hinzu.
Doch der einsetzende Frieden in meinem Herzen, bedingt durch den Dialog den ich führe, lässt mich diese langsam akzeptieren.
Der Priester lehrte mich das Schwert niederzulegen.
Um aus diesem etwas Neues zu schmieden.
Das „Wort“.
Denn das Wort ist das Schwert und wird zum Schwert, ohne dass des Schwertes Kraft nach Rache verlangt.
Denn das Wort bedeutet „Barmherzigkeit“ und Liebe.
Und so entstand die Idee des Zentralrates Orientalischer Christen in Deutschland.
Und so schließe ich den Kreis, sobald ich die letzte Etappe der Peacemaker – Tour vollendet habe.
Das Schwert habe ich immer noch.
Doch sucht es nun Frieden in dieser Welt.