Paprika und Trauben

Die Provinz Hatay mit der Regionalhauptstadt Antakya bildet ein Zentrum des rum –orthodoxen Glaubens. Die Stadt ist umgeben von zwei Kerngemeinden dieser byzantinischen Kirchen, welche ein lebhaftes Leben führen. Eine der Gemeinden befindet sich in Altinözü – Sarilar, die andere in Tokacli – Cnaydu.

In Altinözü besuchen wir gemeinsam mit Nilüfer ihre beiden Tanten im Dorf. Herzlich werden wir von den rüstigen Damen empfangen. Bei Nili, die voller Sehnsucht darauf wartete endlich wieder einmal ihre Tanten sehen zu dürften, konnte man die Freude nicht nur sehen, sondern auch erfühlen. Trotz dessen, dass das Mitglied unseres Peacemaker – Teams bereits seit Jahrzenten fest im Deutschland verankert ist, war die familiäre Verbindung zwischen Besuchte und Besucherin klar erkennbar. Sie spiegelte sich im Lächeln der beiden Damen, die mit ihren 70 bzw. 80 Jahren immer noch die Felder bearbeiten. 

Es ist auch die Verbundenheit zu diesem Land, welches in uns allen immer wieder eine Sehnsucht auslöst, welche eher eine spirituelle Bedeutung hat. Die Gesichtszüge der alten Damen sind rau und doch so freundlich und voller Güte. Die Blicke erzählen viel über das Leid und die Freude, welche diese Region über die Jahrhunderte hinweg immer wieder erfahren hat. Aber die Augen, fest auf uns gerichtet, deuten auch die Klagen an, die unausgesprochen eine noch intensivere Wirkung entfalten, weil sie stumm, wie sie sind, den Menschen im Inneren treffen.

„Wo seid ihr“, fragen sie!

„Warum habt ihr uns alleine gelassen“, klagen sie uns an!

Haben wir sie denn alleine gelassen? Nicht die Regierung, nicht eine Partei, noch nicht einmal die Kirche ist es, die sie alleine gelassen haben. Wir sind es.

Wir, die im Westen nach einem neuen Leben gesucht haben und dabei unsere Wurzeln, eingebettet in den Gedanken der zwei alten Frauen, hinter uns gelassen haben.

Meine eigenen Gedanken schweifen ab und betrachten die hängenden Paprikaschoten, welche zum Trocknen in der Sonne liegen. Das rot leuchtet im warmen Tageslicht der Sonne. Die Umgebung schenkt Zuversicht und Leben. Beim Betrachten des Zusammenspiels der Farben, welche durch die prallen Weintrauben im Garten ergänzt werden, frage ich mich, ob ich in meiner westlichen Umgebung, mit all ihren materiellen Vorzügen, ebenfalls mit 80 noch robust genug bin, um mit voller Freude auf dem Feld arbeiten zu können.

Die zwei Damen gleichen den Paprika und den Trauben. Voller Farben und einem von der Sonne erhelltem Leben.

Picture of Simon Jacob

Simon Jacob

Simon Jacob (1978 in Tur Abdin, Türkei) kam als Kind nach Deutschland, wo er eine kaufmännische Ausbildung absolvierte und später in verschiedenen Führungspositionen der IT- und Technologiebranche arbeitete. Seine berufliche Laufbahn umfasste u.a. Positionen im Projektmanagement und der Marktforschung mit Schwerpunkten in Automotive, Sensorik und Digitalisierung. Neben seiner Karriere engagierte sich Jacob ehrenamtlich als Integrationsbeauftragter der Syrisch-Orthodoxen Kirche und war Vorsitzender des Zentralrats Orientalischer Christen in Deutschland. 2015 initiierte er die „Peacemaker-Tour“, ein journalistisches Projekt, bei dem er Krisenregionen im Nahen Osten bereiste, um den interkulturellen Dialog zu fördern und auf die Lage religiöser Minderheiten aufmerksam zu machen. Seine Erfahrungen und Einsichten, vor allem zu Demokratie und Menschenrechten, teilt er in Artikeln, Vorträgen und seinem bald erscheinenden Buch.
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